|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Im Wochenblatt "Oko" der Kösliner "Glos Polanowa" Nr. 25/91 vom 30. Juni bis 6. Juli 2000 konnte man den folgenden Artikel lesen.
Pollnower Tage
Eine ganze Stadt steht in Blumen
Im deutschen Pollnow gab es früher die Gewohnheit, ein Blumenfest zu organisieren. Die Jugend verschönerte ihre Schule, später kletterte sie im fröhlichen Reigen auf den Gipfel der Varbelower Berge (Anm. des Webmasters: das ist die "Große Aussicht"), wo sie viele Spiele aufführten. Im polnischen Polanow knüpft die Jugend an an diese liebenswerte Tradition an. Mit einer Blumenparade eröffnete sie die Gemeindetage. Obwohl der erste Pollnower Festtag (Freitag, 23. Juni 2000) neblig und regnerisch war, fand in diesem Jahr dennoch zu dieser Zeit eine farbenprächtiger Parade statt, die vom Pollnower Amt für Kultur und Sport (Anm. des Webmaster: das ist das Gartenrestaurant Kosanke) bis zum Stadtzentrum verlief. Ein paar Sonnenstrahlen, die barmherzig hinter den Wolken hervorkamen, hat die Blumenkinder getroffen, zur Freude der Zuschauer und unseres Bild-Reporters. Deshalb können wir unseren Lesern zeigen, wie blumenreich die Pollnower Woche war.
Übersetzung: Michal Zotow, Köslin
Wettkämpfe im Vogelabwerfen und TaubenstechenEin Versuch, pommersches Kulturerbe zu bewahren
Solange sich die heute noch lebenden Pollnower und ihre Eltern zurück erinnern konnten und können, fand in Pollnow einmal jährlich, Ende Juni, das seinerzeit beliebte und bekannte Rosenfest statt. Ursprünglich zur Zeit Friedrich Wilhelm III. als Feier des Geburtstages des Königs am 3. August eingerichtet, wurde es nach dessen Tod in die Zeit der Rosenblüte verlegt. Bereits 1876 hatte Rektor Haase in der Pollnower Schulchronik das Rosenfest an der Walkmühle beschrieben.
Wenn ihm das Wetter günstig erschien, dann klingelte Rektor Howe an einem Morgen Ende Juni (fast immer zwischen dem 18. und 22. Juni, oft genau am 21. Juni) bereits frühmorgens gegen 6 Uhr im Hotel Wrangelshof die Nachtglocke und gab so den Startschuß für alle Vorbereitungen. Und wenn dann für die Kinder vollkommen unvorbereitet am Morgen die Signale des Pfeifer- und Trommlerkorps erklangen, wußten alle, daß an diesem Tag das Rosenfest stattfindet. Die Besitzer des Hotels Familie Goetz waren zugleich auch Pächter des Ausflugslokals "Zur Großen Aussicht". Zum Zeichen, daß das Lokal geöffnet war, wurde auf dem Bismarck-Turm regelmäßig eine Fahne gehißt. Der Vormittag war für die Kinder ausgefüllt mit Blumen- und Laubholen. Beliebt waren vor allem Kornblumen, Margheriten und Rosen sowie Eichenlaub. Dies wurde benötigt zur Bewickelung der Reifen (Bogen) für die Mädchen sowie der Keulen und Turnstangen für die Jungen. Die Mütter waren meist noch zusätzlich mit Kuchenbacken beschäftigt.
Am frühen Nachmittag sammelten sich die Kinder im schönsten Festschmuck vor dem Schulhause der Mittelschule und stellten sich dort in langer Reihe auf. Volksschule und Mittelschule feierten zusammen und wechselten in der Organisation des Festes ab. Mit einer Musikkapelle und dem Spielmannszug an der Spitze setzten sich gegen 2 Uhr nachmittags mehrere hundert Kinder in Bewegung, um, geführt von ihren Lehrern, durch die Straßen der Stadt zu marschieren. Den Trommlern und Pfeifern der Turnkapelle folgten zwei Knaben mit Vögeln, dann alle Mädchen, je zwei und zwei, einen mit Laub und Blumen umwundenen Reifen tragend, unter dem noch ein drittes kleines Mädchen ging, zuletzt die übrigen Knaben mit Fahnen und Wurfkeulen. Jeder Junge hielt je eine Keule mit einer Rose in seiner Hand. So marschierte der Zug durch die Stadt hinaus und es ging in früheren Zeiten durch Wald und Flur am Mühlbach entlang durch das Reetzetal zum altgewohnten Festplatz bei der Reetzer Walkmühle. Auf dem großen Spielplatz oberhalb der Mühle waren Tische und Bänke aufgestellt. Unter dem Schatten mächtiger Buchen fanden hier die Spiele statt. In den Jahren 1914 bis 1920 fiel das Rosenfest aus. Später dann fand die Feier auf der Großen Aussicht statt, woran sich alle Pollnowerinnen und Pollnower heute noch gerne erinnern. Der Festzug ging dann mit der Musikkapelle voran durch die Pollnower Straßen bis zu Grabowbrücke. Dort übergaben die Mädchen ihre Bogen an Verwandte. Man wanderte dann, wenn es sehr heiß war, über die Buchenhöhe oder sonst über den Danziger Steig und den Heuershausener Weg zur Großen Aussicht. Erst dort wurde pausiert.
Jede Klasse hatte auf dem Spielplatz etwas vorzuführen. Lehrer Richter ließ seine Schulklasse Märchenspiele aufführen, man übte sich im Volkstanz, die Mädchen wetteiferten im Taubenstechen, die Jungen warfen ihre kunstvoll gedrechselten Keulen in Richtung gegen einen Vogel, der je nach Altersklasse auf einer mehr oder weniger hohen Stange aufgesteckt war. Für jedes heragbeholten Teil gab es einen Preis. Die Kleinen spielten unterdessen im Kreise, die größeren Jungen spielten Fußball auf einem Platz in der Nähe. Dazwischen wurde Kaffee und Kuchen, Limonade und was es sonst noch zu kaufen gab, verzehrt. Große Familien brachten sich ihren Kuchen und die Butterbrote mit. Spiele wurden vorgeführt und man sang, begleitet vom Mandolinenchor, Volkslieder.
Das Vogelabwerfen war in Pommern und auch in anderen Gegenden Norddeutschlands ein bekannter Brauch. Mit Holzkeulen wurde nach dem Vogel (Taube oder Adler), der auf einer hohen Stange thronte, geworfen. Wer den Reichsapfel, den der Vogel in seiner rechten Kralle trug, abwarf, wurde Kronprinz, wer den Rumpf herunterholte, war König. Tischlermeister Wilhelm Schmidt in der Rummelsburger Straße hatte meist einen Vorrat von Holzadlern mit Zepter, Krone und Reichsapfel bereit. Seit zwei oder drei Generationen wurden die Vögel, die Abwurftauben sowie die feingedrechselten Keulen von ihm gefertigt, zuletzt dann von seinem Sohn Glaser Schmidt. Auf dem Spielplatz hinter dem Bismarckturm wurden die Vögel für die verschiedenen Altersstufen auf etwa drei bis vier unterschiedlich hohen Stangen befestigt.
Die Mädchen im Alter von 6 bis 13 Jahren zeigten unterdessen ihre Fähigkeit im Taubenstechen. Sie ließen eine an einer Schnur hängende Taube mit spitzem eigernen Schnabel in Form eines Nagels nach einer Scheibe fliegen. Die Taube hatte einen gedrechselten Kopf und Rumpf, war mit zwei Seitenflügeln und einem eingefurchten Schwanzflügel versehen. Sie war etwa 35 cm lang und bunt bemalt. Die Schnur war an einem waagerechten Balken (Galgen) befestigt. Man faßte die Taube mit beiden Händen an, ging etwas zurück, damit sie Schwung bekam, zielte und ließ los. Sie flog dann auf eine Zielscheibe, die auf einem etwa 50 x 50 cm großen, an einem Baum angenagelten Holzbrett angebracht war. Nach wenigstens drei Durchgängen wurden die Gewinnerinnen ermittelt. Kleine Geschenke erfreuten die Sieger. Wer die höchste Punktzahl erreicht hatte, den erwarteten Preise wie Hefte, Radiergummi oder Malstifte.
Alle Spiele fanden statt im Bereich der wunderschönen Naturkulisse hinter dem Bismarckturm und der dortigen Gaststätte "Zur Großen Aussicht" statt. Man kann heute noch erkennen, daß dies ein sehr gut geeigneter Platz dafür war. Der Aussichtsturm war 1926/27 von Kommissionsrat Hermann Kohls gestiftet worden, kurz darauf erbaute man die Halle. In Jahre 1935 erhielt er den Namen "Bismarck-Turm". Wollte man den Turm besteigen, zahlte man 10 Pfennige und erhielt in der Gaststube den Schlüssel. Von oben hatte man eine herrliche Aussicht auf die Stadt Pollnow.
Rektor Howe hielt eine Ansprache vor den Kindern sowie den Eltern und den Erwachsenen. Die Pollnower Geschäftsleute hatten an diesem Tag früher geschlossen und alle feierten mit den Kindern mit. Gegen sieben bis halb acht Uhr abends war dann Abmarsch nach Hause. Am imposantesten war zweifellos der große Fackelzug bei Einbruch der Dämmerung. Nach dem Herauskommen aus dem Wald bekam jedes Kind einen Lampion oder eine Fackel und so marschierte man mit Musik in die Stadt zurück. Der schönste aller Tage des Jahres endete dann am Kirchplatz vor der Pollnower Volksschule. Rektor Howe dankte allen, die zum Gelingen des Festes beigetragen hatten und verkündete unter dem Jubel der Kinder einen schulfreien Tag. Alle sangen zum Ausklang dann das Lied "Nun danket alle Gott". Für die Erwachsenen fand dann regelmäßig abends im Hotel Wrangelshof der "Rosenball" statt.
Der Bismarckturm wurde am Ende des 2. Weltkrieges beim Einmarsch der Roten Armee beschädigt, der Saal überstand die Nachkriegsjahre jedoch. In den 50er Jahren fanden dort oben noch Tanzveranstaltungen statt. Später dann wurde das Gebäude abgebrochen. Die Reetzer Walkmühle, wo das Rosenfest bis 1913 stattfand, überstand den letzten Krieg zunächst unversehrt, wurde dann aber seit Ende der 50er Jahre nicht mehr bewohnt und in den 1960er Jahren abgebrochen. Die wunderschönen Naturkulissen, wo die Spiele für die Kinder stattfanden, sind jedoch heute noch zu erkennen.
Die polnische Verwaltung der Stadt Pollnow führte 1999 erstmals wieder ein Sommerfest ("Blumenfest") für die Kinder ein. Ob damit zunächst an die Vorkriegstradition angeknüpft werden sollte, ist nicht bekannt. Im Juni 2000 findet während der Anwesenheit von etwa 80 früheren Einwohnern von Pollnow, die mit dem Bus und mit PKWs angereist sind, das 2. Blumenfest statt, bei dem dem Vernehmen nach auch Kinder aus dem gesamten Kreis Köslin teilnehmen. Den Charakter eines örtlichen Schulfestes wie vor 1945 erreicht dieses neu aus der Taufe gehobene Sommerfest damit zwar nicht, es wird jedoch bewiesen, wie attraktiv auch heute noch die Bergstadt Pommerns inmitten gesunder Wälder für Sommerfeste geblieben ist.
Überlegungen, ob und gegebenenfalls wie einzelne Elemente der Vorkriegstradition des Rosenfestes in die heutige Zeit übernommen werden können, führten dazu, daß Kurt Glienke, gebürtiger Pollnower, nach alten Beschreibungen und Vergleichsfotos die Pollnower Stechtaube zunächst zeichnerisch rekonstruierte und dann originalgetreu selbst anfertigte. Sie ist etwas über 30 cm lang und 500 Gramm schwer. Zum ersten Taubenstechen nach dem 2. Weltkrieg, über 60 Jahre nach dem letzten gefeierten Rosenfest, hat die Heimatgruppe Pollnow am 24. Juni 2000 alle Mädchen und Frauen der Stadt eingeladen. Als Wermutstropfen der gesamten Feierlichkeiten darf an dieser Stelle erwähnt werden, daß das Amt für Kultur und Sport leider nicht in der Lage war, die polnische Jugend an diesem Wettlampf teilnehmen zu lassen. Das Turnier fand dann aber in Absprache mit dem Amt für Kultur der Stadt Pollnow für die ehemaligen (gebürtigen) deutschen Pollnower auf dem Platz beim Kriegerdenkmal oberhalb des Sportplatzes statt. Der historische mit Reichsapfel und Zepter ausgerüstete Abwurfadler (Abwurftaube) ist nach historischen Fotografien ebenfalls bereits zeichnerisch rekonstruiert. Es bleibt zu hoffen, daß es gelingt, auch diesen demnächst wieder nach Pollnow zurück zu bringen und die heute dort wohnenden Kinder für dieses alte Spiel zu begeistern.
Jürgen Lux
Es folgt ein Bericht in polnischer Sprache aus der Glos Pomorza vom 24./25. Juni 2000: Polanowskie Dzieci-Kwiati.
[Start] [Geschichte] [Aktuelles] [Gemeinden] [Literatur] [Karten] [Genealogie] [Links]