Vorbemerkung:
Zetthun gehört heute politisch zur Gemeinde Pollnow (Polanów). Aber bereits
vor dem 2. Weltkrieg war das Dorf mit seinen Einwohnern nach Pollnow orientiert, der nächstgelegenen Stadt. Sowohl
Bublitz, der Sitz der Kreisverwaltung bis 1932 als auch Köslin,
Kreisstadt von 1932-1945, waren weiter entfernt. Pollnow
war also die Einkaufstadt von Zetthun. Hier lagen
auch die nächste Mittelschule und der Bahnhof. Es gab viele Beziehungen der
Einwohner von Zetthun mit den Einwohnern von Pollnow, weshalb der Autor sich entschlossen hat, die
Geschichte des Dorfes Zetthun und seiner Bewohner an
dieser Stelle festzuhalten, zumal es bis heute keine eigenständige
Internetseite von Zetthun gibt.
Allgemeines und Ortsbeschreibung:
Zetthun liegt etwa 8 km westlich von Pollnow und 28 km südöstlich von Köslin.
Es hatte keinen eigenen Bahnanschluss und keine Kirche, jedoch ein heute noch
imposantes Schloss. Über die Geschichte informiert eine eigene Unterseite. Es
gab einen Friedhof, eine eigene Volksschule und ein Kriegerdenkmal für die
Gefallenen des 1. Weltkriegs. Die Schulchronik 1862-1924 (Teil 1) ist erhalten,
Teil 2 bis 1945 leider nicht. Allerdings wurde sie nach 1945 ergänzt durch den
letzten Lehrer Krause. Im Jahre 1926 wurde das neue Schulhaus erbaut.
Übersichtsplan Zetthun
Ausschnitt aus
dem Meßtischblatt 1:25.000 Nr. 1965 Kurow,
© Bundesamt für Kartographie und Geodäsie
Wohnplätze: Zetthun, Karlshof
Lage: Auf der topographischen Karte 1:25.000 Blatt Nr. 1965 Kurow
Einwohner 1939: Zahl der Haushaltungen: 50 (davon 10 Karlshof)
Gesamtbevölkerung: 227
poln. Ortsname: Cetuń
Historische Verwaltungseinteilung:
Kreis: Köslin-Bublitz (bis 1932 Kreis Bublitz)
Regierungsbezirk: Köslin
Amtsbezirk: Gerfin (dazu gehörten nach 1932 Gerfin, Lubow, Rewaldshausen, Zetthun, zuletzt auch Hohenborn)
Standesamt: Gerfin
Kirchspiel: Das Dorf Zetthun war bis 1712 in der evangelisch-lutherischen Kirche von K u r o w eingepfarrt und gehörte anschließend zur Synode von Schlawe, Kirchspiel P o l l n o w, Filia (Tochterkirche) Gerbin. In Zetthun gab es nämlich keine eigene Kirche. Die evangelischen Gemeindemitglieder gingen in der Filialkirche Gerbin zur Kirche. Diese steht heute noch.
Friedhof und Kriegerdenkmal für die Gefallenen des 1. Weltkriegs:
Der erste Weltkrieg forderte
nachstehende Opfer:
1. |
Dewitz, Max |
landw. Arbeiter |
geb. 12.12.1892 |
gefallen August 1918 |
2. |
Genz, Franz |
landw. Arbeiter |
geb. 1895 |
gefallen Juli 1917 |
3. |
Radde, Bernhard |
landw. Arbeiter |
geb. 1885 |
gefallen Juli 1916 |
4. |
Rattunde, Franz |
landw. Arbeiter |
geb. 7.6.1888 |
gefallen Oktober 1914 |
5. |
Schulz, Paul |
Lehrer |
geb. 29.4.1884 |
gefallen 3.7.1916 |
6. |
Thrun, Max |
Brennereiverwalter |
geb. 3.2.1886 |
gefallen 14.4.1918 |
7. |
Venzke, Fritz |
landw. Arbeiter |
geb. 1872 |
gefallen 24.12.1915 |
Geschichtliches:
Zetthun wurde am 27. Februar 1945 von den sowjetischen
Truppen besetzt. Am 2. März 1945 wurden ohne Grund 15 Personen im Alter von 12
bis 76 Jahren erschossen bzw. ermordet. Es waren:
Der Oberinspektor Willi K a r o w, 40
Jahre alt;
der Kraftfahrer Max R a t t u n d e, 57 Jahre
alt;
der Arbeiter Reinhold K l o s i n k i,
55 Jahre alt;
der Arbeiter Max P a n n e i t z, 52 Jahre alt;
der Arbeiter Gerhard P a n n e i t z, 16 Jahre jung;
der Brennereiverwalter Paul B e r w e g
e r, 63 Jahre alt;
der Kutscher Franz B e c k m a n n, 50 Jahre alt;
der Bauer Albert S o r g a t z, 76 Jahre
alt;
der Bauer Hermann K l a e h n, 70 Jahre
alt;
seine Ehefrau Anna geb. P u f a h l, 67
Jahre alt;
ihre Tochter Anna U e c k e r t geb. Klaehn, 38 Jahre alt;
der Bauer Helmut Z ü h l s d o r f, 43
Jahre alt;
seine Ehefrau Frieda geb. Z i r k e, 40
Jahre alt;
ihre Tochter Christel Z ü h l s d o r f,
12 Jahre jung;
der Hausverwalter Hans G ö r g, 54 Jahre
alt;
Den Freitod wählten der Rentmeister Max
U t r e c h t und der Diener vom Schloß
Eduard E f f e
n b e r g e r, 54 Jahre alt.
Das Dorf Zetthun
Ausschnitt aus
dem Meßtischblatt 1:25.000 Nr. 1965 Kurow,
© Bundesamt für Kartographie und Geodäsie
Kirchenbücher und Standesamtsunterlagen:
Kirchenbücher: s. Pollnow: leider sind sämtliche Kirchenbücher verschollen.
Gut Zetthun und die
Familie Caminecci
Im Jahre 1915, mitten im 1. Weltkrieg, kaufte der Berliner Industrielle von
Siemens Gut und Schloß in Zetthun
für seine Tochter Mathilda geb. v. S i e
m e n s und ihren Ehemann Oskar C a m i n e c c i.
Der Italiener Caminecci und die Siemens-Tochter hatten
sich in Berlin bei einem Reitturnier kennengelernt und dann später geheiratet.
Das Ehepaar Caminecci hatte zwei Kinder: Die
Tochter Eleonore, genannt Nora (*1915). Sie heiratete den Gerfiner
Otto
v . E i c h e l.. Die beiden hatten 2
Kinder: Manfred und Beatrix.
Der Sohn Harras-Ursus, kurz Harry genannt (*1916), heiratete
die Tochter des Zezenower Gutsbesitzers Wilhelm von Zitzewitz, Eleonore geb. v. Z i t z e w i t z (geboren 1919).
Harras-Ursus fiel im Kriege. Der einzige Sohn Pier
verstarb 2015.
Die Frau von Harry Caminecci, der im Krieg gefallen
war, Eleonore (genannt Ole) heiratete nach dem Krieg in 2. Ehe einen Fürsten zu
Salm-Salm.
In den Jahren 1926 bis 1930 vergrößerte Herr von Caminecci seinen Besitz um das Doppelte. Durch Tausch mit dem preußischen Staat erwarb er das Forstamt Lubow, für das er die Besitzungen in Biesdorf bei Berlin abgab. Zur gleichen Zeit erwarb er vom Karziner Forst 1000 Morgen Wald. Das Forstamt Lubow hatte eine Größe von 1050 ha, dazu erwarb er von Hermann Karsten den Besitz Gut Rewaldshausen mit 157 ha und von der Familie Gründler das Gut Zeblin mit 1000 ha. So wurden aus dem einst 1556 ha großen Gut Zetthun nun 4013 ha.
Wenn man die rechte Auffahrt auf das Schloß zuging, befand sich links der Reiterzirkel. Der berühmte Hirsch stand vor der Freitreppe. Jetzt soll er sich vor dem Palais Redziwil in Warschau befinden. Links vom Schloß stand das Haus von Harry und Ole, dahinter die Stallungen, wo Nora und Harry ihre Sprungpferde hatten. Das Herrenhaus in Zetthun brannte kurz vor Kriegsbeginn vollständig aus. Die Hälfte des Hauses wurde noch von Caminecci renoviert, derweil lebte die Familie im nebenan stehenden Gästehaus. Die Polen bauten nach dem Kriege den Rest wieder auf. Zunächst wurde es als Wohnhaus für den Verwalter genutzt, dann als Jagdschloß für die polnische Regierung. Heute ist dort ein Altersheim untergebracht. Mehr über das Gut und seine Besitzer erfährt man hier.
Original-Ansichtskarte (Luftbild) von Schloß Zetthun
Sammlung Jürgen Lux
Oscar Caminecci wurde nach dem 20. Juli 1944
inhaftiert und verstarb nach großen Qualen im Konzentrationslager Mauthausen in
Österreich. Über das Leben
und Schicksal des Oskar Caminecci informiert eine
eigene Internetseite.
Einwohner bis 1945:
Einwohnerverzeichnis von Zetthun (Familien), [Stand
vor der Vertreibung]
Dorf Zetthun
|
Familiennamen |
Beruf |
Anzahl Familienmitglieder |
1. |
Beckmann |
Kutscher |
4 |
2. |
Behling |
Chauffeur |
3 |
3. |
Berweger |
Brennereiverwalter |
3 |
4. |
Bresler |
Gärtner |
3 |
5. |
Bunk |
landw. Arbeiter |
7 |
6. |
Caminecci |
Rittergutsbesitzer |
9 |
7. |
Dudel |
landw. Arbeiter |
2 |
8. |
Eilrich |
Melker |
4 |
9. |
Hartmann |
Hofmeister |
7 |
10. |
Hinz |
Stellmacher |
4 |
11. |
Holznagel |
landw. Arbeiter |
6 |
12. |
Höckendorf |
landw. Arbeiter |
3 |
13. |
Jahn |
landw. Arbeiter |
4 |
14. |
Kapps |
landw. Arbeiter |
6 |
15. |
Karow |
Oberinspektor |
4 |
16. |
Klaehn |
Bauer |
4 |
17. |
Klosinsky |
landw. Arbeiter |
4 |
18. |
Krause |
Lehrer |
5 |
19. |
Krüger |
Treckerfahrer |
9 |
20. |
Lange |
landw. Arbeiter |
6 |
21. |
Lenzke |
landw. Arbeiter |
4 |
22. |
Mews |
Eigentümer |
3 |
23. |
Müller |
landw. Arbeiter |
3 |
24. |
Neumann |
landw. Arbeiter |
8 |
25. |
Panneitz |
landw. Arbeiter |
6 |
26. |
Pobanz |
landw. Arbeiter |
8 |
27. |
Pommerening |
Witwe |
1 |
28. |
Rattunde |
Kraftfahrer |
3 |
29. |
Radde |
landw. Arbeiter |
5 |
30. |
Remus |
Maurer |
6 |
31. |
Ruhs |
landw. Arbeiter |
5 |
32. |
Sorgatz |
Bauer |
5 |
33. |
Schmidt |
Büroangestellter |
3 |
34. |
Strehlow |
Schmied |
7 |
35. |
Steinert |
landw. Arbeiter |
6 |
36. |
Utrecht |
Rechnungsführer |
3 |
37. |
Wendler |
Melker |
3 |
38. |
Windmüller |
landw. Arbeiter |
3 |
39. |
Wudtke |
landw. Arbeiter |
7 |
40. |
Zühlsdorf |
landw. Arbeiter |
3 |
Vorwerk Karlshof:
41. |
Beckmann |
Hofmeister |
5 |
42. |
Beyer |
Forstarbeiter |
4 |
43. |
Groß |
landw. Arbeiter |
2 |
44. |
Gustke |
Förster |
3 |
45. |
Hensel |
landw. Arbeiter |
3 |
46. |
Jahnke |
landw. Arbeiter |
2 |
47. |
Krause |
landw. Arbeiter |
4 |
48. |
Müller |
landw. Arbeiter |
6 |
49. |
Rogge |
landw. Arbeiter |
7 |
50. |
Röske |
landw. Arbeiter |
2 |
Im Landwirtschaftlichen Adressbuch Pommern 1939 sind neben dem Gut zwei Bauern
aufgeführt:
Hermann Klaehn
Albert Sorgatz
Aktuelle Fotos:
|
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Quellen:
1. Peter und Herta Mohr: Zetthun. In: Geschichte und Geschichten aus Pollnow und Umgebung. Heimat im fernen Pommern. Eigenverlag 1989, 180 Seiten, S. 160-162 mit einem Porträtfoto der Fürstin Eleonore zu Salm-Salm, verw. Caminecci, geb. von Zitzewitz und einem Hochzeitsfoto des Harras-Ursus (Harry) Caminecci mit Eleonore Caminecci geb. von Zitzewitz aus Zezenow.
2. Atlas der Kirchenprovinz Pommern 1931, Thomas Helms Verlag Schwerin 2005. Nach der von Hans Christel Glaeser erarbeiteten Karte der Kirchenprovinz Pommern neu herausgegebene von der Arbeitsgemeinschaft für pommersche Geschichte mit einer Einführung von Norbert Buske. S. 82-83 Kirchenkreis Schlawe, Ostsprengel
3. Schulchronik von Zetthun 1862-1924
4. Fortsetzung der Schulchronik Zetthun 1925-1945, erstellt von Lehrer Krause nach 1945. (3 Seiten)
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Erstellt von Jürgen Lux. Letzte Aktualisierung 07.04.2021